Verordnung der Übernahmekommission
über öffentliche Kaufangebote
(Übernahmeverordnung, UEV)
vom 21. August 2008 (Stand am 1. Januar 2016)
Von der Eidgenössischen Bankenkommission1 genehmigt am 24. September 2008
Die Kommission für öffentliche Kaufangebote (Übernahmekommission),
gestützt auf die Artikel 126, 131, 132 Absatz 3, 133 Absatz 2, 134 Absätze 3 und 5, 136 Absatz 1 und 138 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 20152 (FinfraG),3
verordnet:
1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 Zweck
Art. 21 Begriffe
Art. 4 Ausnahmen
2. Kapitel: Voranmeldung eines Angebotes
Art. 5 Grundsatz und Inhalt
Art. 6a und 6b1
Art. 71 Veröffentlichung
Art. 81 Wirkungen
3. Kapitel: Angebot
Art. 91 Gleichbehandlungsgrundsatz
Art. 9a1 Freiwillige Tauschangebote
Art. 11 Handeln in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe
Art. 12 Pflichten der Personen, die mit dem Anbieter zusammenwirken
Art. 13 Bedingungen des Angebotes
Art. 14 Dauer des Angebotes
Art. 15 Änderung eines Angebotes
4. Kapitel: Angebotsprospekt
1. Abschnitt: Allgemeines
Art. 17 Grundsätze
Art. 181 Veröffentlichung des Angebotsprospektes
2. Abschnitt: Inhalt
Art. 19 Angaben über den Anbieter
Art. 23 Angaben über die Zielgesellschaft
Art. 24 Zusätzliche Angaben im Fall öffentlicher Tauschangebote
Art. 25 Weitere Angaben
5. Kapitel: Prüfung des Angebotes
Art. 261 Prüfstelle
Art. 28 Aufgaben der Prüfstelle nach Veröffentlichung des Angebots
6. Kapitel: Bericht des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft
Art. 30 Grundsätze
Art. 32 Interessenkonflikte
Art. 331 Veröffentlichung des Berichtes
Art. 341 Änderung des Angebotes
7. Kapitel: Abwehrmassnahmen der Zielgesellschaft
Art. 36 Gesetzwidrige Abwehrmassnahmen
Art. 371 Unzulässige Abwehrmassnahmen
8. Kapitel: Meldung von Transaktionen
Art. 43 Veröffentlichung
9. Kapitel: Veröffentlichung des Ergebnisses
Art. 45 Bedingtes Angebot
Art. 46 Nachfrist
10. Kapitel: Konkurrierende Angebote
Art. 48 Grundsätze im Fall mehrerer Angebote
11. Kapitel: Potenzielles Angebot
12. Kapitel: Verfahren
Art. 54 Ausschüsse
Art. 56 Parteien
Art. 58 Einsprache einer qualifizierten Aktionärin oder eines qualifizierten Aktionärs
Art. 611 Übrige Verfahren
Art. 63 Verfahrensgrundsätze
Art. 691
13. Kapitel: Inkrafttreten
1 Heute: Eidgenössische Finanzmarktaufsicht.
2 SR 954.1
3 Fassung gemäss Ziff. I der V der Übernahmekommission vom 19. Okt. 2015, von der FINMA genehmigt am 3. Dez. 2015 und in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5319).
Praxis zu Art. 10 Abs. 2 UEV
Anwendung der Best Price Rule auf den Erwerb von Beteiligungsderivaten
Anwendung bei Erwerb von Mitarbeiteroptionen oder Beteiligungsderivaten sowie bei Anpassung eines Mitarbeiterbeteiligungs- oder -optionsplans
Die Anwendbarkeit der Best Price Rule auf den Erwerb von Beteiligungsderivaten betrifft auch den Erwerb von Mitarbeiteroptionen oder Beteiligungsderivaten auf Aktien der Zielgesellschaft. Ebenso kann die im Zusammenhang mit einem öffentlichen Kaufangebot durch die in gemeinsamer Absprache mit dem Anbieter handelnde Zielgesellschaft erfolgende Anpassung oder Abschaffung eines bestehenden Mitarbeiterbeteiligungs- oder -optionsplans von der Best Price Rule erfasst sein. Mit dieser Praxis wird erreicht, dass die betreffenden Optionen oder Beteiligungsderivate, auch wenn sie nicht selbst Gegenstand des Kaufangebots sind, wegen der unterlegten Aktien, auf die sich das Angebot bezieht, dem Gleichbehandlungsgrundsatz und damit insbesondere der Best Price Rule unterstehen (vgl. zu letzterem auch die Praxis und Kommentierung zu Art. 9 Abs. 2 UEV).
Anwendung bei in einem Optionsplan für den Übernahmefall vorgesehener Optionsausübung bzw. Rückabwicklung von Optionen
Ist im Optionsplan für den Fall eines verbindlichen Übernahmeangebots die Ausübung bzw. Rückabwicklung von Optionen gegen Rückerstattung des Ausübungspreises vereinbart, gilt eine solche Ausübung bzw. Rückabwicklung als mit dem Übernahmeangebot verknüpft. Dies auch wenn die Ausübungs- bzw. Rückabwicklungsklausel nicht im Hinblick auf das vorliegende spezifische Übernahmeangebot aufgenommen wurde.
Bei Anpassung eines Mitarbeiteroptionsplans: Keine Handelbarkeit der Optionen erforderlich
Bei Anpassung oder Abschaffung eines Mitarbeiteroptionsplans durch die (in gemeinsamer Absprache mit der Anbieterin handelnde) Zielgesellschaft im Zusammenhang mit einem öffentlichen Kaufangebot spielt es keine Rolle, ob die betreffenden Optionen handelbar sind, da es nicht um die Optionen selbst, sondern um die Einhaltung der Best Price Rule bezüglich der unterlegten Aktien geht.
Pflicht zur Unterbreitung einer Baralternative bei Rückkauf von Kaderoptionen
Die Pflicht zur Unterbreitung einer Baralternative bei Erwerb von Beteiligungspapieren oder Beteiligungsderivaten, auf die sich das Angebot bezieht, gegen Barzahlung (vgl. UEK-Rundschreiben Nr. 4 vom 9. Februar 2009), gilt auch im Falle des geplanten Rückkaufs von Kaderoptionen durch die Anbieterin.
Der Erwerb von Optionen, auf die sich ein vorhergehendes reines Tauschangebot nicht bezieht, gegen Barzahlung löst mangels Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes grundsätzlich keine Pflicht zur Unterbreitung einer Baralternative aus. Anderes gälte jedoch, wenn eine über dem Optionswert liegende Abgeltung bezahlt würde, da der den Optionswert überschreitende Betrag als Zusatzentgelt für die der Option zugrunde liegende Aktie zu qualifizieren wäre.
Best Price Rule auch im Kraftloserklärungsverfahren betreffend Mitarbeiteroptionen anwendbar
Die Best Price Rule gilt auch im Kraftloserklärungsverfahren betreffend Mitarbeiteroptionen, welche vom vorhergehenden Angebot nicht erfasst waren.
Bewertung der Finanzinstrumente
Black-Scholes-Modell und Binomialmodell als bewährte Bewertungsmodelle für Optionen
Für die Bewertung von Optionen (namentlich wenn sie "out of the money" sind) stehen verschiedene Modelle zur Verfügung. Als marktgängige Methoden gelten namentlich das Black-Scholes-Modell und das Binomialmodell. Die UEK akzeptiert für die Bewertung von Optionen im Rahmen von Übernahmeangeboten grundsätzlich beide Modelle.
Methode Innerer Wert für Bewertung von "in the money"-Optionen
Für Optionen, die "in the money" sind, kann auch der sog. Innere Wert herangezogen werden. Unter dem Blickwinkel der Best Price Rule ist es dementsprechend zulässig, Optionen (ausschliesslich) nach der Methode Innerer Wert zu bewerten und alsdann (höchstens) einen Preis zu bezahlen, der darauf basiert.
Sofern die Anbieterin für die Mitarbeiteroptionen, die "in the money" sind, den Angebotspreis abzüglich den Ausübungspreis bezahlt, ist die Best Price Rule eingehalten.
3. Verletzung des Prinzips der Gleichbehandlung
[...]
3.5.2 Aufgrund des Erörterten stellt sich die Frage, ob die von der Anbieterin den Ex-Aktionären gewährte Besserstellung bzw. Mehrwert ökonomisch bewertet werden kann. Neben einer „Preisgarantie“ nach unten, gewährt die Anbieterin den Ex-Aktionären eine Preisanpassungs-„Option“ nach oben. Diese Preisanpassung könnte als suspensiv bedingte Option betrachtet werden. Aus diesem Grund ist zu überlegen, ob zu deren Bewertung nicht die üblichen Optionsbewertungsmodelle herangezogen werden können. Sowohl das zur Bewertung von europäischen Optionen üblicherweise angewandte Black/Scholes-Modell als auch das zur Bewertung von amerikanischen Optionen üblicherweise angewandte Binomialmodell verwenden mindestens die folgenden Optionsparameter: Aktienkurs und Volatilität des Underlying, Dividendenrendite, Optionslaufzeit, risikoloser Zinssatz und Ausübungspreis (strike). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass vorliegend nicht von einer Option im klassischen Sinne auszugehen ist. Einerseits hängen die Anwendung der Preisanpassung und deren Höhe nicht vom Willen des „Optionsberechtigten“, sondern vom Willen und der Handlungen der Anbieter, also der „Optionsbelasteten“ ab. Andererseits ist im Zeitpunkt, in dem die Option zu bewerten wäre, weder die „Optionslaufzeit“ noch der „Ausübungspreis“ bekannt. Hinzu kommt, dass die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Bedingung, welche die „Option“ (Erhöhung des Preises durch die Anbieterin oder Konkurrenzanbieter) auslösen würde, nicht bestimmt werden kann. Es ist zwar richtig, dass der Marktpreis, der zur Zeit über dem Angebotspreis liegt, auch die Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich einer allfälligen Erhöhung des Angebotspreises bzw. Lancierung einer Konkurrenzofferte beinhaltet. Der Marktpreis widerspiegelt allerdings nicht nur diese Erwartungen, sondern auch alle im Markt verfügbaren Informationen in Bezug auf die Zielgesellschaft. Damit kann aus dem Marktpreis nicht direkt – wie von der Zielgesellschaft behauptet – die Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Eintritts der Bedingung abgelesen werden. Demzufolge kann der ökonomische Wert dieser „Option“ – treffender müsste man eher von einer „Anwartschaft“ sprechen – eventuell (wie von der Zielgesellschaft geltend gemacht) der Differenz zwischen dem im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Marktpreises der SIG-Aktien abzüglich der Barkomponente von CHF 325 pro SIG-Aktie entsprechen; er kann aber auch darüber oder darunter liegen. Aufgrund dieser Bewertungsproblematik ist in Analogie zu Art. 38 Abs. 3 und 4 BEHV-EBK der Wert der Preisanpassungs-„Option“ demzufolge durch die Prüfstelle gemäss Art. 25 BEHG beurteilen zu lassen. Diese hat vor der Publikation des Angebotsprospekts einen Bericht zu verfassen und ihn der Übernahmekommission zu unterbreiten, welche den Wert festsetzt. Unabhängig davon, ob dieser Preisanpassungs-Klausel ein Geldwert zugemessen werden kann, ist vorliegend von einer Verletzung der Gleichbehandlung auszugehen, da – wie oben erörtert (siehe Erw. 3.5.1) – den Ex-Aktionären Vorteile gewährt werden, welche die Angebotsempfänger von der Anbieterin nicht erhalten.
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