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Praxis zu Art. 37 UEV

Offensichtliche Verletzung des Gesellschaftsrechts

Begriff der offensichtlichen Verletzung des Gesellschaftsrechts im übernahmerechtlichen Kontext

Zeitlicher Anwendungsbereich

Verletzt eine Abwehrmassnahme offensichtlich das Gesellschaftsrecht, spielt es – im Unterschied zu den gesetzwidrigen Abwehrmassnahmen gemäss Art. 36 UEV – keine Rolle, ob der Verwaltungsrat diese Abwehrmassnahme vor oder nach der Voranmeldung bzw. Veröffentlichung des Angebots getroffen hat. Sie können zu keiner Zeit Gültigkeit erlangen.

Prüfung im übernahmerechtlichen Verfahren

Allgemein

Verweis auf gesellschaftsrechtliche Rechtsbehelfe

Allfällige Verletzungen von Gesellschaftsrecht, die nicht offensichtlich sind, können im übernahmerechtlichen Verfahren nicht abgeklärt und berücksichtigt werden. Hierfür bleiben die gesellschaftsrechtlichen Rechtsbehelfe (Anfechtungs- und Verantwortlichkeitsklage) vorbehalten.

Offensichtliche Verletzung bejaht

Golden Parachutes

Eine einseitige Anpassung von Arbeitsverträgen zugunsten der Geschäftsleitung ohne Gegenleistung (im Sinn von Golden Parachutes, z.B. Verlängerung der Kündigungsfrist, Freistellung, Aufhebung des Konkurrenzverbotes) ist als offensichtlich das Gesellschaftsinteresse verletzend zu qualifizieren. Die Verletzung des Gesellschaftsrechts ist mittels bloss summarischer Prüfung relativ leicht erkennbar, da die betreffenden Vertragsanpassungen ohne ersichtlichen Grund (bzw. offensichtlich zu Abwehrzwecken) und ohne Gegenleistung erfolgen.

Offensichtliche Verletzung verneint

Nicht optimal verhandelte Verträge

Die allenfalls zu hohe Gebühr zugunsten von Syndikatsbanken, die sich ausserhalb des Angebots zur Festübernahme der Kapitalerhöhung verpflichtet hatten, wird nicht als offensichtliche Verletzung von Gesellschaftsrecht erachtet,

Entscheid ergangen vor Inkrafttreten der neuen Finanzmarktinfrastrukturgesetzgebung am 1. Januar 2016Verfügung 540/01 vom 25. Juli 2013 in Sachen Schmolz+Bickenbach AG, Erw. 9.2, Rz. 64

(in casu mit dem Hinweis, dass nicht jeder Vertrag, der nicht optimal verhandelt wurde, automatisch einen Verstoss gegen das Gesellschaftsrecht darstelle und dass für die Überprüfung letzterer die gesellschafsrechtlichen Rechtsbehelfe (Anfechtungs- und Verantwortlichkeitsklage) zur Verfügung stünden)

Berücksichtigung offensichtlicher Verletzungen des Gesellschaftsrechts sowie weiterer Gesetzesverstösse durch UEK

Berücksichtigung offensichtlicher Verletzungen des Gesellschaftsrechts durch UEK auch ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 37 UEV?

"Grundsätzlich", berücksichtigt die UEK Verletzungen von Gesellschaftsrecht, wenn sie offensichtlich und aufgrund einer summarischen Prüfung leicht erkennbar sind. Die UEK greift "im Rahmen der Prüfung von Angeboten" ein, d.h. auch ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 37 UEV (betr. unzulässige Abwehrmassnahmen), wenn die Verletzung offensichtlich ist (Praxis teilweise widersprüchlich, vgl. das caveat im nachstehenden Abschnitt).

Vgl. diesbezüglich sowie allgemein zum Lauterkeitsgebot die Praxis und Kommentierung zu Art. 1 UEV.

Entscheid ergangen vor Inkrafttreten der neuen Finanzmarktinfrastrukturgesetzgebung am 1. Januar 2016Verfügung 435/02 vom 24. Februar 2010 in Sachen Transocean Ltd., Erw. 1, Rz. 8-11

(in casu Prüfung des Vorliegens einer offensichtlichen Verletzung des Gesellschaftsrecht ( Art. 659 OR), jedoch keine explizite Auseinandersetzung mit der Frage, ob die UEK offensichtliche Verletzungen des Gesellschaftsrechts auch ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 37 UEV berücksichtigen kann; siehe demgegenüber Verfügung 410/02 vom 16. Juni 2009 in Sachen Quadrant AG, Erw. 4, Rz. 22-26)

Entscheid ergangen vor Inkrafttreten der neuen Finanzmarktinfrastrukturgesetzgebung am 1. Januar 2016Verfügung 414/01 vom 29. Mai 2009 in Sachen shaPE Capital AG, Erw. 4, Rz. 12-13

(in casu implizite Bestätigung der Praxis in Verfügung 408/01 vom 2. April 2009 in Sachen Partners Group Holding AG)

Entscheid ergangen vor Inkrafttreten der neuen Finanzmarktinfrastrukturgesetzgebung am 1. Januar 2016Verfügung 408/01 vom 2. April 2009 in Sachen Partners Group Holding AG, Erw. 2, Rz. 5, 7

(wonach die UEK im Rahmen der Prüfung von Angeboten jedoch auch bei einer Verletzung von Gesellschaftsrecht eingreife, wenn die Verletzung offensichtlich ist (ausdrücklich vorgesehen ist eine solche Prüfung gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen mit beschränkter Kognition in Art. 37 UEV für Abwehrmassnahmen))

Entscheid ergangen vor Inkrafttreten der neuen Finanzmarktinfrastrukturgesetzgebung am 1. Januar 2016Empfehlung 249/05 vom 23. August 2005 in Sachen Saia-Burgess Electronics Holding AG, Erw. 1.3.2

Caveat: Ob UEK offensichtliche Verletzungen des Gesellschaftsrechts auch ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 37 UEV (regelmässig) prüft, bleibt offen

Die UEK lässt die explizit gestellte Frage offen, ob sie offensichtliche Verletzungen des Gesellschaftsrechts auch ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 37 UEV (Unzulässige Abwehrmassnahmen) berücksichtigen kann. Vorausgesetzt wird indessen immer, dass diese Verletzungen (i) einen direkten Einfluss auf das Angebot zeitigen und (ii) offensichtlich sind, d.h. qualifiziert und bei summarischer Prüfung relativ leicht erkennbar sowie (iii) dazu führen, dass das Angebot als unlauter zu betrachten wäre (vgl. auch die Praxis und Kommentierung zu Art. 37 UEV).

Berücksichtigung offensichtlicher Verletzungen anderer (nicht-gesellschaftsrechtlicher) Normen durch UEK auch ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 37 UEV?

Die UEK lässt die Frage offen, ob sie über die in Art. 37 UEV vorgesehene Prüfung von unzulässigen Abwehrmassnahmen bei offensichtlicher Gesellschaftsrechtsverletzung hinaus auch andere offensichtliche Gesetzesverstösse (insbes. neben Gesellschaftsrecht auch Offenlegungsrecht, Insiderstraftatbestände, etc.) im Rahmen der Prüfung des Übernahmeangebots berücksichtigen kann.