Extrait de la loi sur les infrastructures
des marchés financiers et le comportement sur le marché en matière de négociation de valeurs mobilières et de dérivés
(Loi sur l’infrastructure des marchés financiers, LIMF)
du 19 juin 2015
Date de l’entrée en vigueur: 1er janvier 2016
Titre 1 Dispositions générales
Art. 2 Définitions
Titre 2 Infrastructures des marchés financiers
Chapitre 2 Plates-formes de négociation, systèmes organisés de négociation et bourses de l’électricité
Section 1 Plates-formes de négociation
Titre 3 Comportement sur le marché
Chapitre 4 Offres publiques d'acquisition
Art. 125 Champ d’application
Art. 127 Obligations de l’offrant
Art. 128 Contrôle de l’offre
Art. 131 Dispositions additionnelles
Art. 134 Obligation de déclarer
Art. 139 Procédure devant la commission
Art. 141 Procédure de recours devant le Tribunal administratif fédéral
Chapitre 5 Opérations d’initiés et manipulation du marché
Chapitre 6 Instruments de surveillance du marché
Art. 145 Instruments de surveillance prévus par la loi sur la surveillance des marchés financiers
Chapitre 1 Dispositions pénales
Art. 153 Violation des obligations de la société visée
Titre 4 Dispositions pénales et finales
Section 3 Dispositions transitoires
Art. 163 Obligation de présenter une offre
Chapitre 2 Dispositions finales
Praxis zu Art. 125 Abs. 4 FinfraG (vormals Art. 22 Abs. 3 BEHG)
Zulässigkeit von allgemeinen Opting out-Klauseln
Grundsatz und Voraussetzungen
Grundsätzlich kann eine Gesellschaft die Angebotspflicht auch nach erfolgter Kotierung jederzeit statutarisch ausschliessen. Dies jedoch nur, sofern keine Benachteiligung der Aktionäre im Sinne von Art. 706 OR bewirkt wird. Der Verweis auf Art. 706 OR wird als zusätzliches (übernahmerechtliches) Gültigkeitserfordernis verstanden, und damit als Kompetenzgrundlage für die UEK, die Gültigkeit eines nachträglichen Opting out zu überprüfen. Ob bei der nachträglichen Einführung keine solche Benachteiligung der Aktionäre vorliegt und das nachträgliche Opting out folglich gültig ist, prüft die UEK anhand der Erfordernisse der Transparenz und der Zustimmung der Mehrheit der Minderheit:
Transparenzerfordernis: Damit die Aktionäre in voller Kenntnis der Umstände entscheiden können, müssen sie gestützt auf das Erfordernis der Transparenz in der Einladung zur Generalversammlung präzise Informationen erhalten, welche an der Generalversammlung vor der Abstimmung mündlich zu wiederholen sind.
Zustimmungserfordernis: Wenn die durch die Einführung der Klausel potentiell benachteiligten Aktionäre der Einführung der Opting out-Klausel mehrheitlich zustimmen, vermutet die UEK die Richtigkeit dieser Entscheidung und damit, dass keine Benachteiligung der Aktionäre i.S.v. Art. 706 OR vorliegt (Richtigkeitsvermutung).
Eine zivilrechtliche Klage betreffend die Anfechtung des Generalversammlungsbeschlusses gestützt auf Art. 706 OR bleibt stets vorbehalten.
Transparenz: Erfordernis der Abstimmung auf Basis umfassender Information
Zweck der Transparenzregel
Zweck der Transparenzregel ist es, dass jeder Aktionär eine freie und bewusste Entscheidung über die Einführung eines Opting out / opting up treffen kann. Liegt die übernahmerechtlich geforderte Transparenz nicht vor, hat das Opting out / Opting up zumindest gegenüber jenen Aktionären, welche eine Informationspflicht trifft, keine Wirkung.
Umfang der Information für die Aktionäre
Die Vermutung, dass keine Benachteiligung der Aktionäre vorliegt, wenn die potentiell benachteiligten Aktionäre der Einführung des Opting out / Opting up zustimmen (Richtigkeitsvermutung), kann nur gelten, soweit die Aktionäre gebührend über (i) die Sachlage, (ii) die wahren Absichten des die Einführung verlangenden Aktionärs sowie der Aktionäre mit Kontrollbeteiligung und (iii) die Konsequenzen der Einführung der entsprechenden Opting out- / Opting up-Klausel (allgemein und in Bezug auf den jeweiligen Fall) informiert werden.
Formelle Transparenz-Erfordernisse bezüglich des Informationsprozesses
Wenn der Verwaltungsrat oder ein Aktionär ein Opting out / Opting up beantragt, so muss er dementsprechend Informationen liefern (i) über die Gründe seines Antrages, (ii) über die geplante Transaktion sowie (iii) über den daraus resultierenden Kontrollwechsel. Der Verwaltungsrat hat diese Informationen in die Einladung zur Generalversammlung, an welcher über die Einführung der Opting out-/Opting up-Klausel abgestimmt werden soll, zu integrieren. Die GV-Einladung hat zudem auch Informationen über die generellen Auswirkungen des Opting out-/ Opting up zu enthalten. Diese Informationen sind mündlich an der Generalversammlung vor der Abstimmung zu wiederholen.
Das Transparenz-Erfordernis verlangt insbesonder, dass die (übrigen) Aktionäre rechtzeitig über bereits konkret geplante Projekte und verhandelte Transaktionen mit Investoren informiert werden. Sind die (übrigen) Aktionäre im Zeitpunkt der Abstimmung über die Opting out- / Opting up-Klausel nicht angemessen über solche Transaktionen / Projekte informiert, entfaltet die Opting out- / Opting up-Klausel gegenüber dem Aktionär, welchen die Informationspflicht trifft, respektive gegenüber dem betreffenden Investor aus übernahmerechtlicher Sicht keine Wirkung.
Vgl. zur weniger strikten Anwendung der formellen Transparenz Erfordernisse bei Opting out-Klauseln, die vor der Praxisänderung in Verfügung 518/01 vom 11. Oktober 2012 in Sachen Advanced Digital Broadcast Holding AG (ADB 2012) eingeführt wurden, nachstehenden Praxisleitsatz.
Weniger strikte Anwendung der formellen Transparenz-Erfordernisse bei Opting out-Klauseln, die vor der Praxisänderung in Verfügung 518/01 vom 11. Oktober 2012 in Sachen Advanced Digital Broadcast Holdings AG (ADB 2012) eingeführt wurden
Die UEK legt bei Opting out-Klauseln, die vor der Praxisänderung (ADB 2012) eingeführt worden sind, in formeller Hinsicht einen weniger strikten Massstab an (insbesondere bezüglich der aktuellen (formellen) Anforderungen an den Detaillierungsgrad der GV-Einladung). Die UEK prüft demgegenüber umfassend, ob das Transparenzerfordernis materiell erfüllt wurde, d.h., ob die Minderheitsaktionäre vor der Abstimmung über hinreichende Informationen zur fundierten Entscheidfindung (informed consent; consentement éclairé) verfügten.
Zustimmung der "Mehrheit der Minderheit" der Aktionäre
Es wird vermutet, dass der von der Generalversammlung gefällte Entscheid betreffend die nachträgliche Einführung eines Opting out / Opting up im Gesellschaftsinteresse liegt (Richtigkeitsvermutung) und keine Benachteiligung der Aktionäre vorliegt, wenn die Opting out- / Opting up-Klausel in zweistufiger Abstimmung mit (i) der absoluten Mehrheit aller vertretenen Stimmen sowie (ii) der absoluten Mehrheit der potentiell benachteiligten (vertretenen) Aktionäre angenommen wird. Dazu können nacheinander zwei separate Abstimmungen (durch UEK präferierter Modus) abgehalten oder die Stimmabgabe in einem Abstimmungsdurchgang entsprechend separat ausgewertet werden. Die Anfechtungsklage nach Art. 706 OR bleibt vorbehalten.
Lehnt die Mehrheit der potentiell benachteiligten Minderheitsaktionäre die nachträgliche Einführung einer Option out / Opting up-Klausel ab, wird demgegenüber vermutet, dass die Opting out-Klausel eine Benachteiligung der Minderheitsaktionäre im Sinne von Art. 706 OR bewirkt und entsprechend aus übernahmerechtlicher Sicht ungültig ist. Die Anfechtungsklage nach Art. 706 OR bleibt vorbehalten.
Insbesondere Kreis der potentiell benachteiligten Aktionäre ("Minderheit")
Nicht zu den durch die Einführung der Opting out-/Opting up-Klausel potentiell benachteiligten Aktionären zählen grundsätzlich (i) Aktionäre, die die Einführung der Klausel beantragen (und solche, in gemeinsamer Absprache mit dem Antragsteller handeln) und (ii) Aktionäre mit Kontrollbeteiligung, insbesondere Aktionäre, die direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten mindestens 33 1/3% der Stimmrechte der Gesellschaft auf sich vereinigen.
Vermutung der Benachteiligung bzw. Nicht-Benachteiligung der Aktionäre kann widerlegt werden
Wiederlegung der Vermutung der Nicht-Benachteiligung durch Vorliegen besonderer Umstände
Liegen besondere, ausserordentliche Umstände vor, welche gegen die bestehende Vermutung sprechen, behält sich die UEK vor, eine materielle Prüfung der Klausel gemäss Art. 706 OR vorzunehmen. Sie wird aber nur zurückhaltend und nicht ohne Not eingreifen, insbesondere bei Vorliegen einer doppelten zustimmenden Mehrheit.
Widerlegung der Vermutung der Benachteiligung durch Vorliegen besonderer Umstände
Auch im Falle der Ablehnung des Opting out durch die Mehrheit der Minderheitsaktionäre, kann die Vermutung der Benachteiligung ebendieser Minderheitsaktionäre aufgrund aussergewöhnlicher Umstände widerlegt werden und sich eine Prüfung der materiellen Zulässigkeit der Klausel gemäss Art. 706 OR rechtfertigen, namentlich wenn sich abzeichnet, dass die Einführung des Opting out einem überwiegenden Gesellschaftsinteresse entspricht, etwa wenn ein neuer Investor bei einer in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Gesellschaft einsteigt (vgl. Verfügung 440/01 vom 4. Juni 2010 in Sachen COS Computer Systems AG Erw. 2.1).
Rechtsfolge bei Vorliegen einer Benachteiligung der Aktionäre: Opting out ist übernahmerechtlich ungültig und unwirksam
(i) Erfolgt die Abstimmung unter Missachtung des Transparenzerfordernisses (insbesondere dadurch, dass die Antragsteller im Zeitpunkt der Abstimmung bereits bestehende Projekte nicht hinreichend offenlegen) oder (ii) wird die Opting out- / Opting up-Klausel nicht von der absoluten Mehrheit der potentiell benachteiligten Aktionäre angenommen, so wird grundsätzlich eine Benachteiligung vermutet und (iii) liegen keine besonderen und aussergewöhnlichen Gegebenheiten vor, die eine Benachteiligung rechtfertigen, so ist die entsprechende Statutenbestimmung aus übernahmerechtlicher Perspektive ungültig und entfaltet keine Wirkung für bestehende oder zukünftige Aktionäre der Gesellschaft. Eine zivilrechtliche Klage betreffend die Anfechtung des Generalversammlungsbeschlusses gestützt auf Art. 706 OR bleibt vorbehalten. Schliesslich bleibt es den Antragstellern sowie der Gesellschaft grundsätzlich unbenommen, eine erneute Abstimmung zur nachträglichen Einführung des Opting out unter Beachtung der aktuellen Voraussetzungen der Richtigkeitsvermutung durchzuführen.
Zulässigkeit von selektiven Opting out-Klauseln
Der aktuellen Praxis zu nachträglich eingeführten Opting out-Klauseln liegt der Gedanke zu Grunde, dass die transparent aufgeklärten (Minderheits-)Aktionäre selbst entscheiden sollen, ob sie die Vor- oder Nachteile eines Opting out stärker gewichten. Vor diesem Hintergrund scheint es sachgerecht, auch ein Opting out zuzulassen, welches sich nur auf eine bestimmte Transaktion bezieht, da dies einen weniger starken Eingriff in ihre Rechte bedeutet, als ein "generelles" Opting out. Obwohl die namentliche Nennung von "Begünstigten" in Opting out-Klauseln eine Ungleichbehandlung von Aktionären bedeutet, wird diese durch das Interesse an der Transaktion gerechtfertigt.
Spielraum bei der Gestaltung von Opting out-Klauseln
Der Gesetzgeber hat mit dem Grundsatz der Angebotspflicht (Art. 135 Abs. 1 FinfraG) und den beiden Ausnahmebestimmungen über das Opting out (Art. 125 Abs. 3 und 4 FinfraG) und Opting up (Art. 135 Abs. 1 FinfraG) ein ausschliessliches, in sich geschlossenes gesetzliches System des Übernahmerechts geschaffen, welches durch die Möglichkeit der Einführung von selektiven Opting out-Klauseln im von der UEK festgelegten Rahmen ergänzt wird. Entsprechend besteht kein Spielraum für eine weitergehende, individuelle Gestaltung der Übernahmeregeln. Die Einführung einer statutarischen Angebotspflicht, deren Bedingungen dem geltenden Recht widersprechen, ist daher nicht zulässig.
Kompetenzgrundlage der UEK zur Prüfung von nachträglichen Opting out-Klauseln
Der in Art. 125 Abs. 4 FinfraG enthaltene Verweis auf Art. 706 OR wird als zusätzliches (übernahmerechtliches) Gültigkeitserfordernis verstanden, und damit als Kompetenzgrundlage für die UEK, die Gültigkeit eines nachträglichen Opting out zu überprüfen.
Intertemporalrecht
Grundsatz: Anwendbarkeit der Gültigkeitskriterien der neuen Praxis auf früher eingeführte Opting out-Klausel
Grundsätzlich ist eine neue Rechtsprechung unmittelbar anwendbar; auf pendente Sachgeschäfte somit im Moment des Inkrafttretens der Rechtssprechung. Dabei ist allerdings dem Gutglaubensschutz i.S.v. Art. 9 ZGB Rechnung zu tragen (BGE 135 II 78, Erw. 3.2), welcher insbesondere bei der Fristberechnung Anwendung findet (BGE 135 II 78, Erw. 3.3). Ein vor der Praxisänderung eingeführtes Opting out wird somit nach Massgabe der neuen Praxis (gemäss Verfügung 518/01 vom 11. Oktober 2012 in Sachen Advanced Digital Broadcast Holdings AG) und ohne Rücksicht auf das Datum der Einführung der Opting out-Klausel durch die Generalversammlung auf ihre Gültigkeit geprüft, wenn der entsprechende Kontrollwechsel nach der Praxisänderung liegt.
Keine Prüfung der Gültigkeit von Opting out und Opting up-Klauseln im Rahmen einer gewährten Sanierungsausnahme
Gewährt die UEK eine Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG (Sanierungsausnahme), wird die Gültigkeit einer vorgängig eingeführten Opting up-Klausel nicht geprüft. Die gewährte Sanierungsausnahme gilt unabhängig davon, wo die eine Angebotspflicht auslösende Schwelle in einem konkreten Fall liegt.
Für Gültigkeit einer Opting up-Klausel (Art. 135 Abs. 1 FinfraG) gelten die gleichen Kriterien wie für das Opting out
Die Gültigkeit einer nach der Börsenkotierung in den Statuten eingeführten Opting up-Klausel (Grenzwert bis auf 49 Prozent der Stimmrechte anhebbar) gemäss Art. 135 Abs. 1 FinfraG ist nach den gleichen Kriterien wie beim Opting out zu beurteilen.
Opting in
Zuständigkeit der UEK zur Prüfung der Abstimmungsmodalitäten betreffend Opting in
Für die Beurteilung der börsenrechtlichen (nicht aber der gesellschaftsrechtlichen) Abstimmungsmodalitäten eines Opting in (Streichung eines Opting out) ist die Zuständigkeit der UEK gegeben. Demgegenüber ist die Beurteilung von gesellschaftsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Abstimmung über ein Opting in Sache des hierfür zuständigen Zivilgerichts, es sei denn, es handle sich lediglich um die vorfrageweise Beurteilung von gesellschaftsrechtlichen Fragen durch die UEK.
Keine Anwendung der Praxis der UEK zur nachträglichen Einführung eines Opting out auf das Opting in
Weil beim Opting in (Streichung eines Opting out) keine Gefahr einer Benachteiligung der Minderheitsaktionäre besteht, findet die unter Art. 125 Abs. 4 FinfraG entwickelte Praxis der UEK zur nachträglichen Einführung eines Opting out (Transparenz-Erfordernis / Mehrheit der Minderheit) bei einem Opting in keine Anwendung.
Keine Rückwirkung des Opting in
Aktionäre können sich dazu entscheiden, eine bestehende Opting out-Klausel in den Statuten wieder zu streichen, was allerdings keine Rückwirkung entfaltet: Wird der Grenzwert von 33 1/3% der Stimmrechte vor dem Streichen der Opting out-Klausel in den Statuten überschritten, besteht rückwirkend keine Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebotes.
"Massgeschneidertes Opting in"
Zur Wiedereinführung einer teilweisen Angebotspflicht durch Anpassung einer bestehenden Opting out-Klausel in den Statuten, vgl. die Praxis und Kommentierung zum Opting out.
4. Einordnung der vorgeschlagenen Statutenbestimmung
[18] Wie in Sachverhalt lit. D dargestellt, erwägt Schindler ihre Statuten um den neuen Art. 40 zu ergänzen, der vorsieht, dass ein Käufer, der 50 % oder mehr des Aktienkapitals und damit die Kontrolle über Schindler erwirbt, nur dann als Aktionär mit Stimmrecht im Aktienbuch eingetragen wird, wenn er vorgängig allen Aktionären und Inhabern von Partizipationsscheinen ein freiwilliges öffentliches Kaufangebot unterbreitet hat. Der Preis dieses Angebots hat mindestens dem Börsenkurs (d.h. volumengewichteter Durchschnittskurs der börslichen Abschlüsse der letzten 30 Börsentage) zu entsprechen und darf höchstens 10 % unter dem höchsten Preis liegen, den der Käufer in den 12 vergangenen Monaten für Beteiligungspapiere bezahlt hat. Für die Aufhebung oder Änderung von Art. 40 ist ein Quorum von drei Vierteln aller Aktienstimmen vorgesehen.
[19] Mit Einführung des neuen Art. 40 stellt Schindler zukünftigen Käufern, welche eine Kontrollmehrheit an Schindler erwerben und ihr Stimmrecht entsprechend ihrer Beteiligung ausüben wollen, im Sinne einer Obliegenheit anheim, allen Aktionären und Inhabern von Partizipationsscheinen ein öffentliches Kaufangebot zu einem bestimmten, von Schindler vorgegebenen Angebotspreis zu unterbreiten (d.h. Börsenkurs der letzten 30 Tage, Möglichkeit einer Kontrollprämie von bis zu 10 %, vgl. Sachverhalt lit. D).
[20] Auf diese Weise etabliert Schindler ein eigenes, individuelles System zur Regelung öffentlicher Kaufangebote (vgl. Erwägung 4.1), das von dem durch das Übernahmerecht geschaffenen Systems abweicht, welches in seiner heutigen Form – wie in Erwägung 3 hiervor dargelegt – nebst dem Pflichtangebot nach Art. 32 Abs. 1 BEHG die Möglichkeiten (i) einer statutarischen Opting out-Klausel (nach Art. 22 Abs. 2 und 3 BEHG), (ii) einer statutarischen Opting up-Klausel (nach Art. 32 Abs. 1 in fine BEHG) sowie (iii) einer selektiven Opting out-Klausel vorsieht. Eine Gegenüberstellung von Schindlers massgeschneiderter „Opting in“-Klausel mit der statutarischen Opting up-Klausel (nach Art. 32 Abs. 1 in fine BEHG) vermag deren Unterschiede zu veranschaulichen: Während Erstere eine maximale Angebotsschwelle bei 50 %, einen auf Basis der volumengewichteten Durchschnittskurse der börslichen Abschlüsse der letzten 30 Börsentage berechneten Börsenkurs und eine maximale Kontrollprämie von 10 % vorsieht, sieht die (börsenrechtliche) statutarische Opting up-Klausel eine maximale Angebotsschwelle von 49% sowie einen auf Basis der volumengewichteten Durchschnittskurse der börslichen Abschlüsse der letzten 60 Börsentage berechneten Börsenkurs vor und schliesst die Ausrichtung einer Kontrollprämie ganz aus.
[21] Damit stellt sich im Kern die Frage, ob Schindler – unter Zugrundelegung der rechtsgültigen, in Art. 39 der Statuten enthaltenen Opting out-Klausel – (i) überhaupt berechtigt ist, zur Regelung seiner individuellen Bedürfnisse abweichend vom übernahmerechtlichen System des BEHG (vgl. Erwägung 3) über einen zusätzlichen neuen Art. 40 ihrer Statuten ein individuelles System zur Regelung öffentlicher Kaufangebote zu schaffen oder, ob (ii) Schindler nicht vielmehr zwingend auf die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Möglichkeiten zurückgreifen und ihre individuellen Bedürfnisse innerhalb des vom System des BEHG vorgesehenen Rahmens regeln muss.
4.1 Ausschliesslichkeit des gesetzlichen Systems des Übernahmerechts
[22] Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente (Wortlaut, Historie, Teleologie, Systematik) einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 121 III 219 E. 1d/aa S. 225; BGE 136 III 23 E. 6.2.2.1 S. 37; BGer 9C_725/2014 vom 17. März 2015 E. 3.2).
[23] Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Gesetzeswortlaut:
Art. 22 BEHG
2 Die Gesellschaften können vor der Kotierung ihrer Beteiligungspapiere […] in ihren Statuten festlegen, dass ein Übernehmer nicht zu einem öffentlichen Kaufangebot nach den Artikeln 32 und 52 verpflichtet ist.
Art. 32 BEHG
1 Wer direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt [...] muss ein Angebot unterbreiten für alle kotierten Beteiligungspapiere der Gesellschaft. Die Zielgesellschaften können in ihren Statuten den Grenzwert bis auf 49 Prozent der Stimmrechte anheben.
[24] Die Bestimmung in Art. 22 Abs. 2 BEHG hält fest, dass man die gesetzliche Angebotspflicht in den Statuten ausschliessen kann. Sie enthält keinerlei Hinweise auf weitere Gestaltungsmöglichkeiten. Mithin spricht der Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 BEHG gegen die Zulässigkeit eines Opting out, bei dem die Gesellschaft zwar innerhalb der besagten Ausnahmeregelung operiert, aber gleichzeitig in ihren Statuten faktisch einen direkten oder indirekten privatrechtlichen Angebotszwang vorsieht.
[25] Die Gesetzesmaterialien enthalten keine Hinweise darauf, dass der historische Gesetzgeber eine Möglichkeit eröffnen wollte, dass die Gesellschaften auf individueller Basis eine massgeschneiderte „Opting in“-Klausel nach dem Vorbild von Schindler einführen können. Es ist davon auszugehen, dass der historische Gesetzgeber eine solche Möglichkeit eher verworfen und sich dafür ausgesprochen hätte, dass sich die Gesellschaften für oder gegen ein Opting out oder ein Opting up entscheiden müssen. Anlässlich der Revision des BEHG im Jahr 2012 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der statutarischen Einführung einer Opting out- bzw. Opting up-Klausel aufrechterhalten, aber er hat sich bei Pflichtangeboten klar gegen die Ausrichtung einer Kontrollprämie ausgesprochen. Eine allfällige Modifizierung des geltenden Regimes der Opting out- bzw. Opting up-Klauseln stand bei den damaligen parlamentarischen Beratungen nicht zur Debatte, sondern es ging einzig um die Beseitigung der mit der Ausrichtung der Kontrollprämie einhergehenden Ungleichbehandlung. Es standen insbesondere auch keine vermittelnden Lösungen zur Debatte, welche sich zwischen den beiden Polen, d.h. der vollständigen Aufhebung der Pflichtangebotsregeln gestützt auf ein Opting out auf der einen Seite und der ausnahmslosen Anwendung der Pflichtangebotsregeln auf der anderen Seite, situiert hätten. Fragt man nach dem Sinn und Zweck des Opting out und den ihm zugrunde liegenden Wertungen, so ist unbestritten, dass diese Ausnahmeregelung gerade den börsenkotierten Familiengesellschaften, zu denen auch Schindler gehört, die Möglichkeit bieten soll, einen Kontrollwechsel ohne die gesetzlich vorgesehene Angebotspflicht zu vollziehen. Aus diesem konkreten Regelungsziel lassen sich allerdings keine Erkenntnisse darüber gewinnen, ob das gesetzliche Opting out statutarisch modifiziert werden kann. Hingegen ist zu beachten, dass Ausnahmeregeln generell restriktiv auszulegen sind (vgl. BGE 120 II 112 E. 3b/aa S. 114 m.w.N.; BGer Urteil 4A_527/2007 vom 25. Februar 2008 E.5.2.3), was gegen eine massgeschneiderte „Opting in“-Klausel, wie von Schindler vorgeschlagen, spricht.
[26] Darüberhinaus sind mit Blick auf die innere Widerspruchsfreiheit des Übernahmerechts bei der Auslegung der Einzelregelung in Art. 22 Abs. 2 BEHG die übernahmerechtlichen Regelungszwecke in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen. Letztere werden im Art. 1 UEV wie folgt umschrieben: Lauterkeit, Transparenz und Gleichbehandlung der Anlegerinnen und Anleger. Tatsächlich erscheint es im Hinblick auf das Gleichbehandlungsprinzip und unter Zugrundelegung des argumentum a maiore ad minus als vorteilhaft, wenn eine Gesellschaft, die über ein gültiges Opting out mit unbeschränkter Kontrollprämie verfügt, mittels einer Vinkulierungsklausel indirekt eine Angebotspflicht mit einer beschränkten Kontrollprämie einführt. Das übernahmerechtliche Teilziel der Transparenz spricht aber auch in diesem Fall gegen die Zulässigkeit einer massgeschneiderten „Opting in“-Klausel nach dem Vorbild von Schindler. Heute können interessierte (Minderheits-)Aktionäre schnell und einfach erkennen, dass eine Gesellschaft über ein Opting out verfügt, und sie können ihren Anlageentscheid im Wissen um den fehlenden Rechtsschutz im Falle eines Kontrollwechsels treffen. Die Möglichkeit, eine unbeschränkte Zahl von statutarisch begründeten Opting out-Konstellationen einzuführen, die zudem durch einen entsprechenden Generalversammlungsbeschluss jederzeit verändert werden können, führt innerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 22 Abs. 2 BEHG zu einer Intransparenz und Rechtsunsicherheit, die sich – nicht zuletzt auch im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Regelung – nicht rechtfertigt. Dabei sind von der Intransparenz und der Rechtsunsicherheit nicht einzig die Minderheitsaktionäre betroffen, sondern auch die potentiellen Kontrollerwerber, die sich möglicherweise am Ende doch mit einer auslegungsbedürftigen und konfliktträchtigen Vinkulierungsklausel konfrontiert sehen.
[27] Als Auslegungsergebnis ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber mit dem Grundsatz der Angebotspflicht in Art. 32 Abs. 1 BEHG und den beiden Ausnahmebestimmungen über das Opting out (Art. 22 Abs. 2 und 3 BEHG) und über das Opting up (Art. 32 Abs. 1 in fine BEHG) ein ausschliessliches, in sich geschlossenes gesetzliches System des Übernahmerechts geschaffen hat. Mit der Vorgabe dieses erschöpfenden Rechtsrahmens hat der Gesetzgeber den Zielgesellschaften keinen Spielraum für eine weitergehende, individuelle Gestaltung der Übernahmeregeln eröffnet.
4.2 Bewertung
[28] Mit ihrem Vorschlag versucht Schindler – unter Weitergeltung des bereits bestehenden statutarischen Opting out – ein massgeschneidertes System zu etablieren, innerhalb dessen eine Quasi-Angebotspflicht bei Überschreitung der Angebotsschwelle von 50 % des Aktienkapitals mit der Möglichkeit der Ausrichtung einer Kontrollprämie von bis zu 10 % wieder eingeführt wird.
[29] Zwar hat ein potentieller Käufer die Möglichkeit, die über die statutarische (Vinkulierungs‑)Klausel auferlegte „Verpflichtung“ (streng genommen müsste man hier von einer Obliegenheit sprechen) zur Unterbreitung eines Angebots abzuwenden, indem er auf die Eintragung seiner Stimmrechte im Aktienbuch verzichtet. Jedoch wird durch den Art. 40 faktisch ein „Zugzwang“ und damit eben doch eine Verpflichtung geschaffen, bei Erwerb von 50 % oder mehr der Stimmrechte ein öffentliches Übernahmeangebot zu lancieren, da kein rationaler Investor eine massgebliche Beteiligung in der Höhe von 50 % oder mehr an einer Gesellschaft aufbauen würde unter Verzicht auf das damit einhergehende Stimmrecht, welches ihm ja erst die tatsächliche Kontrolle über die Gesellschaft verschafft.
[30] Dieses massgeschneiderte System verfolgt damit das Ziel, eine statutarische Quasi-Verpflichtung zur Unterbreitung eines öffentlichen Übernahmeangebots zu schaffen. Die Frage der Gültigkeit einer solchen Bestimmung vor dem Hintergrund des Gesetzeszweckes des Art. 680 OR bildet nicht Gegenstand dieser Verfügung. Die Übernahmekommission stellt gleichwohl fest, dass Schindler damit den Versuch zur Wiedereinführung einer Angebotspflicht macht, jedoch unter Zugrundelegung eines Grenzwerts, welcher nicht mit den im BEHG festgelegten Grenzwerten übereinstimmt und zu preislichen Bedingungen, die der Abschaffung der Kontrollprämie durch den Gesetzgeber im Jahre 2013 zuwiderlaufen, was letztlich in einen Widerspruch zum Gleichbehandlungsgebot mündet.
[31] Tatsächlich sieht das Gesetz seit dem 1. März 2013 keine Möglichkeit zur Ausrichtung einer Kontrollprämie im Zusammenhang mit einem Pflichtangebot mehr vor. Es gibt diesbezüglich nur noch die folgenden zwei Möglichkeiten: Entweder (i) besteht eine Angebotspflicht, mit der sich eine Kontrollprämie verbietet, oder (ii) die Statuten der Gesellschaft sehen ein (gültiges) Opting out oder ein Opting up (bei maximal 49 %, nicht wie im Falle Schindlers bei 50 %) vor, weshalb bei einem Kontrollwechsel kein (Pflicht-)Angebot unterbreitet werden muss (was sozusagen die Tür zu einer unlimitierten Kontrollprämie öffnet).
[32] Als Folge des aktuellen Falles Sika (Verfügung 594/01 vom 5. März 2015, 594/02 vom 9. März 2015, 594/03 vom 1. April 2015, 598/01 vom 1. April 2015 sowie Verfügung der FINMA vom 4. Mai 2015 in Sachen Sika AG), welcher die Grenzen des Opting out-Systems und von Vinkulierungsklauseln ersichtlich macht, sucht Schindler nach einer Lösung, die es ihr erlaubt, im Wesentlichen zwei Ziele zu verfolgen: (i) Die Vorteile eines Opting out beizubehalten und so die Schindler-Gruppe bzw. die zu dieser Gruppe gehörenden Aktionäre vor einer Angebotspflicht im Falle von Änderungen innerhalb der Schindler-Gruppe zu schützen, und (ii) eine mit Sika vergleichbare Situation zu verhindern, in der eine sehr hohe Kontrollprämie an die Mehrheitsaktionäre bezahlt wird, ohne dass den Publikumsaktionären ein öffentliches Übernahmeangebot gemacht werden müsste. Die Absichten Schindlers sind redlich und grundsätzlich begrüssenswert, gehen sie doch in Richtung des Schutzes von Minderheitsaktionären. Dennoch erlaubt es die dargestellte aktuelle Rechtslage (vgl. die Erwägungen 3. und 4.1) nicht, dass Schindler über ihre Statuten eine Angebotspflicht einführt, deren Bedingungen denjenigen des geltenden BEHG widersprechen. Die nun seitens Schindler vorgeschlagene Lösung ist systemfremd und würde jeder Gesellschaft, die sich in derselben oder in einer ähnlichen Situation wie Schindler befindet, die Möglichkeit geben, sich ihr eigenes massgeschneidertes System zu schaffen: Sie könnten Käufern, die sich eine Kontrollmehrheit aneignen – aufgrund des faktischen Zwangs zur Eintragung im Aktienbuch zwecks Erlangung der Stimmrechte – über eine solche individuelle Gestaltungskompetenz eine Angebotspflicht auferlegen, die bezüglich Schwellenwert und Preisbedingungen nichts mehr mit den im BEHG vorgesehenen Regeln zu tun hat, was letztlich eine Demontage des beschriebenen, vom Gesetzgeber gewollten übernahmerechtlichen Systems des BEHG bewirken würde.
[33] Ausserdem würde das Akzeptieren einer solchen Lösung dazu führen, dass die Mehrheitsaktionäre die Möglichkeit hätten, die Statuten (und eine allfällig darin enthaltene Angebotspflicht) nach ihrem Belieben zu ändern, sobald einmal eine Opting out-Klausel eingeführt worden ist. Dies würde die Rechtssicherheit beeinträchtigen (siehe Erwägung 4.1).
[34] Das dargestellte übernahmerechtliche System des BEHG, insbesondere auch die jüngste Praxis der Übernahmekommission zum selektiven Opting out (Verfügung 600/01 vom 22. April 2015 in Sachen Kaba Holding AG, Erw. 1), stellt Schindler sowie anderen Gesellschaften in genügendem Masse Möglichkeiten zur Verfügung, ihre bestehenden Opting out-Regelungen anzupassen.
[35] Es stellt sich im Übrigen die Frage, ob ein Opting out die einzige Lösung darstellt, um eine Gruppe von Mehrheitsaktionären vor den Konsequenzen einer Angebotspflicht aufgrund eines Wechsels innerhalb dieser Gruppe zu schützen. In Art. 32 Abs. 3 BEHG ist in dieser Hinsicht ausdrücklich eine gesetzliche Ausnahme von der Angebotspflicht vorgesehen, wenn die Stimmrechte durch Schenkung, Erbgang, Erbteilung, eheliches Güterrecht oder Zwangsvollstreckung erworben wurden (vgl. dazu auch Erwägung 3). Die eingangs gestellte Frage kann letztlich aber offen gelassen werden: Tatsache ist, dass ein Opting out auch den Zweck verfolgt, einer Gruppe von Mehrheitsaktionären die Möglichkeit zu geben, ihre kontrollierenden Beteiligungen zu einem Preis an Dritte zu verkaufen, der eine Kontrollprämie (welche theoretisch beliebig hoch sein kann) beinhaltet, ohne dass der Dritte dazu verpflichtet wäre, auch Minderheitsaktionären ein Angebot zu unterbreiten. Genau diese beiden letztgenannten Punkte möchte Schindler, was anerkennenswert ist, mit der Einführung der neuen Statutenbestimmung ändern. Sie darf dies jedoch nur tun, indem sie sich der vom BEHG vorgesehen Mittel bedient. Es steht nicht in ihrem Belieben dieses Resultat über eine individuelle, massgeschneiderte und systemfremde Lösung zu bewirken.
4.3 Fazit
[36] Die Übernahmekommission stellt fest, dass der von Schindler beabsichtigte neue Art. 40 ihrer Statuten dem vom Gesetzgeber gewollten, in den Art. 22, 32 bzw. 52 BEHG verankerten übernahmerechtlichen System widerspricht. Die mit dem Art. 40 vorgeschlagene Statutenbestimmung ist damit als nichtig zu betrachten und entfaltet, sofern diese anlässlich der ausserordentlichen Generalversammlung vom 11. August 2015 angenommen werden sollte, keine Rechtswirkungen. Letztere Feststellung bleibt ohne Auswirkung auf die Rechtsgültigkeit des Art. 39 der Statuten von Schindler.
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